Heimatforscher auf der Kanzel


Leiten lässt sich Pfarrer Conradi dabei von Worten, die er bei einer Predigt 1967 in der kleinen Kirche gesprochen hatte:" Wir wollen uns tragen lassen von den Vätern, die vor uns gewesen sind, und wir sollen auch unsererseits bereit sein Mitzutragen um, für andere, die nach uns kommen, Halt und Hilfe zu sein. In dieser Beziehung muss jeder von uns lernen, etwas für die Gemeinde zu tun."
Wie wertvoll und dokumentarisch fundiert die Chronik ist, hat das Hessische Hauptstaatsarchiv anerkannt.
Nach gründlicher Prüfung wurde das Geschichtswerk des passionierten Heimatforschers Conradi inventarisiert, steht somit für Interessenten und zu ergänzenden Forschungen zur Verfügung. Lohnend wäre es wohl, die mit Fleiß und Sachverstand verfasste Chronik - nach Aktualisierung um die Jahre seit 1975- als heimatgeschichtliches Buch für eine breite Öffentlichkeit herausgegeben.

Pfarrer Conradi war der spätere Stadtteil Wiesbadens zur Heimat geworden, die ihn Wurzeln schlagen ließ und Systeme überleben half. In der Marktkirche in Wiesbaden ordiniert und als Vikar an der Bergkirche tätig, verbindet den Geistlichen schon die verwaltete Pfarrstelle in Alzey mit Hessen. Dort predigt der Protestant gegen Diktatur und Verfolgung im Dritten Reich. Nationalsozialisten fühlen sich getroffen und schickten Gestapo-Männer in die Kirche, um den unerschrockenen Verkünder der Wahrheit von der Kanzel zu holen. Conradi wird verhaftet und ausgewiesen.

Der Antifaschist hat später trotzdem - oder gerade deshalb - für Hitlers Eroberungspläne gekämpft. Der Soldat wird an den Fronten in Russland mehrfach verwundet. Ein Bein muss bis zum Oberschenkel amputiert werden. Und dann kommt 1944 die Rückkehr in das von Bomberangriffen heimgesuchten Rambach.

Ausgerechnet ein Sprengkörper bringt Glück und Unglück. Das Pfarrhaus wird bei einem schweren Bombenagriff (02.02.1945) der letzten Tage Kriegstage zerstört. Aber die Bombe reißt ein Loch in die Wand des Luftschutzkellers. So können die Verschütteten ins Freie getragen und dem Leben zurückgegeben werden. Dennoch bleibt Leid. Sowohl der Pfarrer als auch seine Frau Annelises haben beim Bombenagriff auf Wiesbaden ihre Eltern verloren.

Nach dem Krieg muss in Rambach ganz von vorne begonnen werden. Inzwischen sind ein Sohn und einen Tochter geboren worden. Pfarrer Conradi ist durch die Beinamputation sehr gehandikapt. Er hat sich das bergige Rambach für den geistlichen Dienst "ausgesucht". So sind die beschwerliche Wege auf den hochgelegenen Friedhof zu machen,. Die Trauergottesdienste müssen, da noch kein Haus für Bestattung stand, im Freien gehalten werden. Abenteuerlich klingen die Erinnerungen an den Grabreden. Der Küster muss den Pfarrer mit nur einem Bein schon mal festhalten, damit dieser nicht ins Grab zu fallen droht. Als die Kirchengemeinde 1975 von ihm Abschied nimmt, spricht Propst Hagel ahnungsvoll von einem "aktiven Ruhestand".

Pfarrer Conradi wechselt von Kanzel, Büro und Gängen in der Gemeinde an den Schreibtisch. Unermüdliche Forschungen bilden die Grundlage für das Abfassen der Rambacher Chronik. Voraussetzungen für das Studium von Quellen waren das seinerzeitige Studium des Latein sowie der früh- und mitteldeutschen Sprache.

Fast zehn Jahre schrieb Pfarrer Conradi daran. Ohne seine Recherchen und Entdeckungen der ersten urkundlichen Erwähnung Rambachs anno 1264 hätte die 750- Jahrfeier des Stadtteils nicht stattgefunden. Offen bleiben in dem Geschichtswerk Fragen nach der Lage von Ober- und Unter- Rambach. Auch das Siedeln der Römer in dem nach Wiesbaden führenden Tal ist noch ungeklärt.

Pfarrer Conradi kann sein eigenes Werk in der Chronik dokumentieren. Schließlich ließ er in seiner Amtszeit die nunmehr 100 jährige Kirche gründlich renovieren. Das Innere des Gotteshauses wurde ausgemalt, die Orgel modernisiert und ein wertvolles Fenster eingebaut. Eine der drei Glocken wurde aus dem Osten geborgen und stammt aus dem Geburtsjahr Luthers.

Die Chronik gibt auch Auskunft über das Rambacher Wappen. Nach dem Bischofsstab des Schutzpatrons St. Nikolaus deuten die Heraldiker inzwischen einen bürgerlich gekleideten Mann mit Stab als bildhaftes Symbol des Ortes. Dessen erste urkundliche Erwähnung hat Conradi in Zinsregister eines Mainzer Klosters gefunden.

Der Pfarrer weiß um keine Vorfahren in Rambach. Doch werden als Bewohner der frühmittelalterlichen Ansiedlung ein Curadus und Heinricus erwähnt. Der Name des Ortes wird auf den Bestandteil eines altdeutschen Eigennamens wie etwa Wolfram zurückgeführt. Möglich ist auch die Abteilung von dem altdeutschen hraban, das zu ram wurde und Bach am Raben bedeuten könnte.

Die einstige Rodungssiedlung im Bereich des alten Königssondergaues war später in die Geschichte Nassauischer Fürsten eingebettet. Großen Aufschwung erlebte Rambach durch die Entwicklung Wiesbadens zur Weltkurstadt. Mit dem weichen Wasser wuschen viele Betriebe schmutzige Wäsche der so genannten feinen Gesellschaft.

Laudatio zum 100ten Geburtstag von Pfarrer Conradi, gehalten von seiner Tochter