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Rechts an der Niedernhausener
Straße, am
Ortsausgang
von Rambach, Richtung Naurod, waren früher mehrere Weiher. Der Bach,
der durch das Tal fließt, versorgte sie mit Wasser. In den Sommermonaten
waren die Weiher leer, sie dienten in dieser Zeit als Wiesen. Wenn die letzen
Blumen verblüht und das Grummet (2ter Schnitt Heu ohne Blüten)
gemacht war, wurde das von Erddämmen eingefasste Gelände gereinigt
und der Ablauf des künftigen Weihers dichtgemacht. Vom Bach her wurde
das Wasser eingelassen, so entstanden allmählich ganz saubere Weiher,
die im Winter zur Gewinnung von Natureis genutzt wurden.
Ich möchte einmal aus meiner Erinnerung erzählen, wie ich das damals erlebt habe. Zuerst wurde an manchen Weihern ein Schild angebracht, auf dem darauf hingewiesen wurde, dass hier Natureis gewonnen wird. Erst wenn die Weiher freigeben worden waren, konnte die Dorfjugend dort Schlittschuh laufen. Die bei der Gewinnung von Natureis anfallenden Arbeiten bot Bauern und Handwerkern, die in der kalten Jahreszeit keine andere Beschäftigung hatten, die Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Wenn die Eisdecke dick genug war, trafen sich die Männer am Eisweiher. Sie arbeiteten in Gruppen, einige von ihnen waren mit Äxten ausgerüstet. Sie gingen auf die ca. 10 cm dicke Eisfläche und zersplitterten das Eis in transportfähige Brocken, "Schilwe" genannt. Sie achteten darauf, dass sie immer einen guten Stand hatten. Die andere Gruppe zog oder schob die Brocken zu den Verladestellen. Die Männer benutzten dazu lange Holzstangen, an deren Spitzen geschmiedete Haken waren, die zum Ziehen ins Eis geschlagen wurden. Eine vom Haken weiterführende Spitze diente zum Schieben, dieses Eisen war aus einem Stück gearbeitet. Die Verladegeräte waren aus Holz gefertigt. Auf der einen Seite gingen sie bis unter die Wasseroberfläche. In Längsrichtung nebeneinander genagelte Rundhölzer dienten als Rutsche für das Eis. Zwei Männer schoben das Eis über die Ufer. Die Gestelle reichten soweit über den Weg, dass eine Karre darunter fahren konnte. Es gab umgebaute Leiterwagen, die man von Hand entleert hat und die sogenannten "Schneppkarren". Dieses zweirädrige Gefährt war ein schwerer von einem Pferd gezogener Wagen, der von oben beladen wurde. Seine Ladung konnte er auskippen, deshalb nannte man ihn "Schneppkarren". Seine hintere Wand war oben drehbar gelagert und unten verriegelt. Der ganze Aufbau diente als Lagerfläche und war über der Achse ebenfalls drehbar. Auf einem fast ebenen Weg brachten man mit diesen Karren das Eis zur "Kippelmühle", wo das Eishaus stand. Diese Gebäude stehen heute noch. Über den Schächten, die zu den Eiskellern führten, wurde ausgekippt. Hier wurde das Eis gelagert. Zuerst wurde daraus eine Mauer gebaut, die den Eingang zum Keller freihielt. Dicke Mauern und schattenspendende Tannen schützten es vor sommerlichen Temperaturen. Trotzdem schmolz das Eis bis zu einem Meter Entfernung von der Mauer weg. Außer den Kellern gab es im Eishaus noch einen großen Raum, in dem die Eiswagen kühl gehalten wurden, mit denen man das Eis zu den Kunden fuhr. Diese schweren Wagen hatten vier Räder und wurden von zwei Pferden gezogen. Wenn sie auf Kopfsteinpflaster kamen, sah es aus als lenkte sie der Fuhrmann immer in schräger Richtung zur Straße. Der hintere Teil "dotzte" (hüpfte) auf den Steinen nach außen, man versuchte auf der gewölbten Straße immer in der Mitte zu bleiben. Das Eis wurde zu Großabnehmern wie Krankenhäuser, Hotels, Gaststätten und Metzgereien in Kübeln zu je 20 Kg ausgeliefert. In der "Römerburg" kühlten wir im Sommer unsere Getränke und die Theke. Ich musste deshalb mit einem Handwagen zur Kippelmühle fahren, um Eis zu holen. Am Tor lag der Hofhund an einer langen Kette. Wenn ich ihn hinter mir hatte, war das schwierigste geschafft. Dann hieß es warten, bis jemand kam und mit mir in den schwach bedeuteten Eiskeller ging. Mit einem Pickel schlug man das Eis los, das zu einem Eisberg zusammen gebacken war. Ich verlud es auf dem Leiterwagen und fuhr es in einem Sack nach Hause.
An der
Niedernhausener
Straße, fast gegenüber der Kippelmühle, befindet sich
ein zweites Eishaus. Dort mussten die Bauern das gewonnene Eis zum höher
gelegenen Giebel fahren. Durch eine Öffnung kippten sie die Ladung in
den Eiskeller. Es wird heute ebenfalls anders genutzt. An der Stickelmühle, wo heute die städtischen Wohnhäuser stehen, waren früher ebenfalls zwei Eisweiher. Sie wurden durch den Bach, der früher die Mühle antrieb, versorgt. Im Goldsteintal, ungefähr auf der Höhe des Hundetrainingsplatzes, wurde der Mühlbach abgeleitet, ging am Stickelwald entlang zur Mühle, unter der Ostpreußenstraße hindurch und vereinigte sich mit dem Rambach. Er versorgte diese Weiher mit sauberem Wasser. Auf alten Postkarten kann man sehen, dass früher Ruderkähne auf dem Weiher lagen. Er war der größere von beiden und das ganze Jahr voll Wasser. Im Sommer, wenn es Abend wurde, stimmten dort hunderte Fröschen ihr Lied an, im Winter liefen hier die Rambacher und Sonnenberger Jugendlichen auf den zugefrorenen Weiher Schlittschuhe. Abgeeist wurden sie selten. Als die Kunstherstellung möglich wurde, baute die Firma "Hentsch und Käsebier" neben ihrem alten Eishaus eine solche Anlage. Das Maschinenhaus war von der Straße, die nach Rambach führt, zu sehen. Im Winter, wenn es früh dunkel wurde und alles entlaubt war, konnte man von weitem das große Schwungrad in dem beleuteten Raum sehen. Die dicken Speichen des laufenden Rades zerhackten das nach außen dringendem Licht in lauter helle Punkte. Das habe ich aus meiner Kindheit so in Erinnerung behalten. Das Kunsteis wurde in Stangen von einem Meter Länge und 10 cm Dicke hergestellt und verkauft. Allerdings war es nicht so fest wie Natureis und taute schneller. Als die elektrischen Kühlschränke aufkamen, wurden die Gewinnung von Natureis und die Herstellung von Kunsteis eingestellt. Die Weiterentwicklung der Technik hat dieses Handwerk aussterben lassen.
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Aus der Serie "Heinz Steinle erzählt"
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